Entwurf eines Raumkonzepts zur Nutzung des Kircheninnenraums für sakrale als auch für profane Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit Nathalie Brum, Kriz Olbricht, Anna Schütten
Die Kirche in der Welt - die Welt in der Kirche.
Die sakralen und profanen Elemente finden im neu gestalteten Kirchenraum der Kirche St. Jodokus nebeneinander und ineinander verschränkt Platz. Ähnlich der erfolgreichen Symbiose anderer kirchlicher Kunstorte soll auch für St. Jodokus zukünftig gelten: Kultur findet in der Kirche statt und Kirche in der Kultur. Die Gleichwertigkeit der beiden wesentlichen Elemente werden mit der Neugestaltung des Bodens manifestiert, der sich als ebene Fläche über den gesamten Kirchenraum bis in die sakralen Nebenräume ohne Höhenversprung ergießt. Das Zentrum der Messe und die Gemeinde befinden sich nun buchstäblich auf Augenhöhe.
Reduktion statt Addition. – Statt neue Elemente im im Kirchenschiff hinzuzufügen, strebt der Raum eine asketisch anmutende Reduktion auf das Wesentliche für Gottesdienste und Veranstaltungen an. Der Raum wird vereinfacht, erweitert und zugleich luftig und hell gestaltet. Der Innenraum fokussiert sich nun auf die elementaren und deutlich mehr in Szene gesetzten liturgischen Elemente. Für die übrigen Werke werden in Absprache mit der Gemeinde würdevolle Orte gesucht. Diese grundlegende und sinnbildliche Geste symbolisiert ein Willkommenheißen einer der Welt zugewandten, engagierten und offenen Gemeinschaft Wiesentals.
Raum als Gefäß. – Der neu gestaltete Kirchenraum erfährt dank seiner flexiblen Offenheit eine Klärung. Geistliche wie auch weltliche Anlässe finden gleichermaßen Platz. Die Komposition der Möbel, Raumelemente und Innenraumgestaltung ist offen für eine vielseitige Form der Nutzung und lädt zum Mitgestalten ein. Existierende Choreographien der sakralen Rituale einer lebendigen und florierenden Kirchengemeinde erhalten mehr Raum. Das Aufgreifen lokaler und bestehender Materialien, die Öffnung des Raumes mit einem weiteren, zentralen Fenster und die Neugestaltung der Prinzipalien in einer massiven, prominenten und unverrückbaren Form hebt die besondere Atmosphäre aktueller katholischer Gottesdienste im Südwesten Deutschlands hervor. Zugleich erfahren Künstler:innen für zukünftige Ausstellungen einen stimmungsvollen und gleichzeitig gestalterisch zurückhaltenden Raum als ein Gefäß für die vielfältigen Formen zeitgenössischer Kunst: bildend, medial, darstellend.
Bauzeitliche Materialien, neu interpretiert. – Die Elemente und Räume, die hinzugefügt werden, sind bewusst zurückhaltend gestaltet. Die Multifunktionsdecke für Medien- und Veranstaltungstechnik oberhalb der facettierten Abhangdecke und auch das neu gestaltete und ausgebaute Untergeschoss sind für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, dienen aber als funktionale Unterstützung der Abläufe einer modernen Kirche. Die wiederum sichtbaren neuen Elemente, das rekonstruierte Fenster, die Abhangdecke, die vereinfachten Brüstungsverkleidungen des Orgelpodests und die Windfänge lehnen sich an die bauzeitlichen Holzeinbauten der Kirche an. Das tief verwurzelte Engagement innerhalb der Kirchengemeinde in Form zahlreicher Vereine, Musik- und Theatergruppen und Gesangschöre wird mit einem zeitgenössischen Aufführungsort gewürdigt, der mit der Kirche verschmolzen ist.
Eine Öffnung zur Welt. – Das neue Fenster im Zentrum der Apsis ist die Antwort auf die bestehende Kreuzigungsgruppe. Gemeinsam mit den übrigen Sutorkunstwerken stellen wir diese auf Grund des nationalsozialistischen Hintergrunds des Künstlers zur Disposition. Anknüpfend an die diakonischen Haltung, Vielfältigkeit und Gastfreundlichkeit in- und außerhalb der Gemeinde zu leben, regen wir eine Auseinandersetzung mit Sutors Andienung an das nationalsozialistische Machtgefüge an. Vor diesem Hintergrund wünschen wir uns für die Kunstwerke einen Ort, der eine kontextualisierende Aufarbeitung und neuere kunsthistorische Einordnung ermöglicht. Als Auftakt des Dialogs mit zeitgenössischer Kunst schlagen wir für die neue Marienandacht vor, regionale und überregionale Bildhauer:innen zum Wettbewerb und zum direkten Gespräch mit der Gemeinde einzuladen. Das neu gestaltete Kreuz aus matt geschliffenem Edelstahl regt zum offenen Nachdenken an und ermöglicht unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Alter in seiner Abstraktion eine Identifikation jede:r Einzelnen mit Christus am Kreuz. Altar, Ambo und Taufbecken greifen den roten Sandstein der Region auf. Sie stehen monolithisch, massiv und in klarer Formsprache im Chorraum der Kirche. Der Tabernakel des örtlichen Handwerkers bleibt exponiert und zugleich geschützt in unmittelbarer Nähe zur Apsis.